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pax christi

menschen machen frieden - mach mit.

Unser Name ist Programm: der Friede Christi. 

pax christi ist eine ökumenische Friedensbewegung in der katholischen Kirche. Sie verbindet Gebet und Aktion und arbeitet in der Tradition der Friedenslehre des II. Vatikanischen Konzils. 

Der pax christi Deutsche Sektion e.V. ist Mitglied des weltweiten Friedensnetzes Pax Christi International.

Entstanden ist die pax christi-Bewegung am Ende des II. Weltkrieges, als französische Christinnen und Christen ihren deutschen Schwestern und Brüdern zur Versöhnung die Hand reichten. 

» Alle Informationen zur Deutschen Sektion von pax christi

Stoppt den Krieg!

05. Mrz 2022

Kundgebung "Frieden für die Ukraine und ganz Europa" am 05.03.2022

Zu der Kundgebung am 5. März „Stoppt den Krieg! Frieden für die Ukraine“ hatten die Osnabrücker Friedensinitiative (OFRI), der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und pax christi aufgerufen. 2500 Menschen hatten sich zu der Kundgebung mit Schweigemarsch versammelt.

 

Nachfolgend lesen Sie den Redebeitrag von Dr. Gerrit Schulte von pax christi, den Sie auch im Download herunterladen können.


Liebe Teilnehmerinnen und Teilnehmer,

Was kann ich diesem beeindruckenden Bild so vieler Teilnehmerinnen in der Friedensstadt hier noch hinzufügen? Dass so viele gekommen sind, zeigt, ja, wie sehr wir alle auch emotional angesprochen sind von den Ereignissen in der Ukraine. Nicht anders ergeht es dem russisch-deutschen Schriftsteller Wladimir Kaminer, der heute Morgen in einem Interview sagte: Wenn ich auf die Ukraine und auf Russland schaue, dann weine ich.

Diese Reaktion kennen wir – so glaube ich – alle. Wie nahe auch den Profis aus dem Politikbetrieb die Lage der Menschen in der Ukraine geht, zeigte sich auch bei der Zuschaltung des ukrainischen Präsidenten in das Europaparlament. Ein Freund von mir war dabei als Journalist in Brüssel. Er schrieb mir, dass bei der Übersetzung der dramatischen Worte des ukrainischen Präsidenten selbst den professionellen Dolmetschern die Stimme mehrfach gebrochen sei.-

Am vergangenen Samstag haben wir hier in Osnabrück in der wöchentlichen Friedensandacht in der Marienkirche einen ukrainisch-orthodoxen Pastor gehört, der in Deutschland geboren wurde, weil seine Mutter und sein Vater hier als Zwangsarbeiter leben und arbeiten mussten. Mir wurde da noch einmal sehr bewusst: Wir haben als Erben der nationalsozialistischen Verbrechen eine historische Verpflichtung. Vor 80 Jahren waren es deutsche Soldaten, die mit Panzerkolonnen gegen Kiew zogen in eine der fürchterlichsten Kesselschlachten des Zweiten Weltkrieges. Vergessen wir das nicht!

Wir sehen jetzt, dass wieder ein Lügner einen Überfall begeht auf seinen Nachbarstaat. Dieser Verbrecher und seine Clique aus Oligarchen, nationaler Polizei und Geheimdienstlern – nicht das russische Volk, nicht die (!) Russen - brechen alle internationalen Verträge: Helsinki, Paris und das Budapester Memorandum von 1994, in dem Russland der Ukraine zugesichert hat, auf jede Form der Gewalt gegen das Land zu verzichten. Aber eben nicht das russische Volk, nicht die Menschen dort brechen internationales Recht. Lassen wir uns deshalb auch hier vor Ort nicht spalten. Stigmatisieren wir nicht unsere russisch-deutschen Mitbürger, grenzen wir sie nicht aus der Gemeinschaft der Friedensstadt aus. Und denken wir auch an die jungen russischen Soldaten, die zu Manövern gerufen wurden und in einem Angriffskrieg ankamen.

Wir wähnten uns doch alle nach 1989 in einer neuen Welt des Friedens, in der die Stärke des Rechts herrscht und nicht das Recht des Stärkeren. Garant dafür sollen die Vereinten Nationen, der Sicherheitsrat und das Völkerrecht sein; die werden aber von Russland verhöhnt und belogen. Wer gegen alle internationalen Rechtsnormen verstößt, übrigens auch schon mit der Annektion der Krim, ist nichts anderes als ein Kriegsverbrecher, der vor den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag gehört; auch eine Institution, die durch das Engagement der Friedensbewegungen in aller Welt seit mehr als 100 Jahren entstanden ist.

Ich spreche hier für die katholische Friedensbewegung, daher auch ein Wort zu den christlichen Kirchen, die in ihrer Geschichte auch selbst Schuld auf sich geladen haben. Sie bekennen seit den Erfahrungen der großen Weltkriege und seit der Entwicklung der Massenvernichtungswaffen einmütig: „Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein.“ Jede Kriegshandlung, die auf die Vernichtung ganzer Städte und ihrer Bevölkerung abstellt, ist danach ein Verbrechen gegen Gott und gegen den Menschen, das entschieden zu verwerfen ist. Viele russisch-orthodoxe Priester und Diakone stehen auch in Russland mutig dafür ein – anders als ihr Patriarch Kyrill, der nicht das Evangelium verkündet, sondern seinen Staatspräsidenten. Kehren Sie um, Herr Patriarch!

Ich weiß, dass es über den richtigen Weg der Solidarität und Hilfe auch innerhalb der Friedensbewegungen Diskussionen gibt. Es ist ein friedensethisches Dilemma: Einerseits stehen wir immer für gewaltfreie Lösungen ein, - das ist unser Kern, andererseits gibt es auch die Verpflichtung, Menschen beizustehen, die überfallen werden. Dieses Dilemma müssen wir aushalten. Konsens ist aber für uns alle die Forderung an den Aggressor: Stoppt den Krieg, lasst die Waffen schweigen. Sofort! Nicht nur als Feuerpause für humanitäre Korridore.

Der Überfall auf die Ukraine ist ein bitterer Rückschritt für uns Friedensbewegte. Gegen alle Selbstverpflichtungen aus unserer entsetzlichen Vergangenheit erscheint nun der Ruf nach Waffenlieferungen auch in Kriegs- und Krisengebiete wie in die Ukraine wieder naheliegend, erscheint Militarisierung und Aufrüstung wieder dringend geboten, gelten zivile Wege der Konfliktbewältigungen mehr denn je als utopisch. Freundinnen und Freunde, wir werden einen noch längeren Atem brauchen, um das, was uns wichtig ist und richtig erscheint, vermitteln und erreichen zu können. Aber, liebe Friedensbewegte, lasst euch um Himmels willen nicht entmutigen. Damit die Logik von Gewalt und Gegengewalt durchbrochen wird, die Logik, die lautet: Wenn du Frieden willst, bereite den Krieg. Wir stehen hier für die Überzeugung: Wenn du Frieden willst, bereite den Frieden!

Ich möchte schließen mit einem Wort aus einem Schreiben, dass uns aus den sozialen Hilfsorganisationen in diesen Tagen aus Russland erreicht hat, von Partnern und Partnerinnen, die ich selbst schon mehrfach in Russland besucht habe und deren Einsatz für die sozial schwachen Menschen ich erleben durfte. In dem Brief heißt es voller Entsetzen über das Handeln der eigenen russischen Regierung: „Was ich gerade erlebe, ist mit Worten nicht zu beschreiben: Entsetzen, Scham, Angst. Keine Hoffnung. Gar keine. … Am schlimmsten ist, dass nicht wir diesen Weg gewählt haben. Wir wurden vor eine vollendete Tatsache gestellt, und wir werden diesen Weg auf den Knien gehen. Wir sind wieder allein, bei uns nur die, die uns brauchen, und jeden Tag werden es mehr.“ Das Schreiben endet mit den Worten: „Ich weiß, Sie sind bei uns, sorgen für uns, beten. Es kann passieren, dass Sie keine Möglichkeit mehr haben werden, die armen Menschen hier zu unterstützen, aber bitte: Verlasst uns nicht.“

Liebe Freundinnen und Freunde. Ein emotionales Wort wie am Anfang. Aber es ist wichtig zu wissen, wie die Menschen auch in Russland fühlen. Für die Menschen auf allen Seiten des Krieges rufen wir deshalb hier:

Stoppt den Krieg! Bereitet den Frieden! Sofort!

Schalom!  

Dr. Gerrit Schulte, Diakon i.R.

Pax Christi Regionalverband Hamburg-Osnabrück